Montag, 13. Januar 2014

DENKEN ÜBERS DENKEN

HORIZONT  
Weißt du, wie deine Gedanken aussehen? Ich meine, wenn du 24 Stunden am Tag denkst, dann siehst du doch Wörter, die du formst und aussprichst und du siehst Bilder von Gegenständen, Menschen und Situationen, Träumen und Vergangenem. Aber wie sieht dieses Bild in deinem Kopf aus? Und wo sitzt es? Es ist nicht ausgeschnitten und es ist kein ganzes Foto mit Hintergrund oder Umfeld. Wenn du an etwas denkst, dass du nicht in den Schubladen deines Gehirns gespeichert hast, weil du es noch nie zu Augen bekommen hast, sondern was du dir einfach nur vorstellst? Wo und wie ist es dann? Es hat keinen Rand und es verläuft nicht in Schwarz, es ist nicht da irgendwie, aber man sieht es ja trotzdem haarscharf.
Weißt du, wie du dir Bilder vorstellst? Manchmal denke ich, dass alles, was wir denken, damit meine ich das Vorstellen auf dieser Beamerleinwand, die garnicht definierbar ist, schon existiert. Ich frage mich, ob wir überhaupt sowas wie eigene Ideen und eigene Vorstellungskraft haben. Woher kommt die Fantasie? Alle Bilder, die wir uns ausmalen, haben wir bereits gesehen und setzen sie zusammen. Ist das möglich? Wenn wir eine Utopie malen, mit Farbe aus dem Gehirn, dann nur mit Dingen, die wir schon kennen, die wir zusammenwürfeln. Ich frage mich, ob wir überhaupt eigenständig denken können. Ob wir nicht alles kopieren und für uns anpassen. Wir würden ohne Abschauen nicht überleben, das ist eindeutig. Inspiration ist Abschauen. Alles, was du ein Mal gesehen hast, speichern die unglaublichen Zellen da oben in deinem Kopf. Und das siehst du dann, wenn du an etwas denkst, was du eigentlich noch nie gesehen hast? Wenn ich an einen Traum zurückdenke, den ich vor 12 Jahren hatte, dann ist er so klar und nah, dass ich immer überzeugter von meiner eigenen These werde. Bis heute haben sich diese Bilder nicht geändert. Ich bin 3 Jahre alt und hatte meinen wahrscheinlich realsten Traum denn je. Ich konnte damals nicht unterscheiden, ob er Realität oder Traum war, aber als ich älter wurde, habe ich eindeutig festgestellt, dass ich es nur geträumt haben kann. Wie krass es ist. Wie krass unser Gehirn arbeitet, wie viel es in sich trägt, wie wenig Wissen und wie viel Farbe und Passiertes. Wie viel es speichert.
Weißt du, wie schnell du denkst? Du denkst in Millisekunden. Und du träumst auch unfassbar schnell. Wie kann es sein, dass das Denken, egal ob im wachen oder schlafenden Zustand, so unvorstellbar wenig Zeit braucht? Wenn ich mich umschaue und meinen Gedanken freien Lauf lasse, etwa 2 Sekunden, dann brauche ich eine Minute, um das Wichtigste wider zu geben. Weshalb denken wir in Wörtern, aber können sie nicht annähernd in dieser Geschwindigkeit laut aussprechen? Vielleicht sind Wörter garnicht die richtige Sprache, um uns auszudrücken. Um uns genauer aus zu tauschen. Wörter sind beim Reden ja nicht nur Laute, sondern auch Aussprache, die Stimmlage, die Mimik. Ich bin nicht ganz Ich, wenn ich das Zeug aus meinem Kopf laut sage. Wenn man spricht, wirkt man viel naiver und oberflächlicher, man packt zu viele Füllwörter und Sätze dazu, die unwichtig sind. Ich möchte schweigend durch meinen Alltag gehen. Ich fange an richtig auf meine eigene Stimme zu hören, wenn ich nicht rede, weil ich mir selbst zuhören kann. Die Stimme, die du hörst, wenn du dir diesen Text vorliest oder wenn du überlegst- wem gehört sie? Ich bilde mir ein, dass es meine Stimme ist, aber irgendwie bin ich mir überhaupt nicht sicher. Es ist wahrscheinlich meine echt Stimme, aber eben nicht die, die andere hören, wenn ich rede.
Manchmal wünsche ich mir, nicht zu denken. Nicht mehr zu denken, als das, was für die Schule und die grundlegenden Sachen in der Gesellschaft nötig sind. Es wäre so einfach. Aber es wäre auch verdammt langweilig und eigentlich bin ich dankbar, dass ich dazu fähig bin in Frage zu stellen, was uns selbstverständlich erscheint. Und mir in jeder Sekunde bewusst zu sein, dass unser Horizont erbärmlich klein ist und wir so wenig wissen, hilft gelassener zu sein und gleichzeitig rüttelt es auf. Ich weiß, dass es in der Gesellschaft nicht wichtig ist, zu hinterfragen. Aber ich bin mir sicher, dass es das Einzige ist, was zählt. Das wir unseren eigenen Kopf so stark nutzen, dass wir aus uns selbst schlau werden. Dass wir so viel Grübeln, bis wir mit uns im Reinen sind und alle Weltanschauungsansätze durchdacht haben, die uns kurz in den Kopf gekommen sind. Ich glaube, dass Gedanken das geheimnisvollste und abstrakteste sind, was wir kennen. Und ich glaube auch, dass sie das Wertvollste sind und es deshalb lohnenswert ist, sie auszubauen. Eigentlich ist es ja das Einzige, was wir bis zum Ende haben werden. Die merkwürdige Fähigkeit zu denken und das Gehirn, dass alles speichert, was es je wahrgenommen hat.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Du schaffst es dafür aber mega gut Gedanken in Worte umzuwandeln ;)

Selina... hat gesagt…

Wow ich bin jedes mal so beeindruckt von deinen Texten, aber dieser war mit dem Text über Zeit der 'berührendste'... In diesen Texten habe ich das Gefühl, dass jemand Fremdes meine Gedanken genommen hat und es geschafft hat diese in unglaubliche schöne und treffende Worte zu verpacken, ohne übertrieben zu klingen, aber trotzdem mit all dem Inhalt meiner Gedanken .. (ich hoffe das machr irgendwie Sinn) danke, dass du deine Texte veröffentlichst, ich liebe sie :D

Anonym hat gesagt…

Nichts was von uns kommt, kommt von uns. Alles was wir hören, sehen, fühlen, schmecken oder riechen, inspiriert uns. Und das was wir als "unser" bezeichnen ist ein Mix aus all dem. Es ist quasi alles geklaut! Komisch der Gedanke irgendwie, das wir gar nichts neues schaffen können....Ich mag deine Gedanken! Oder gruselig find ich auch die Vorstellung, dass denken in Synapsen und Nerven (keine ahnung wie genau :D) sattfindet und irgendwie organisch ist.
Einen schönen Blog hast du!
liebste grüße!

karla.mumford hat gesagt…

okay, liebe lea, das ist ein sturm von tausend wundervoll formulierten und aneinnander gereihten worten, von denen ich jedes nachvollziehen kann, weil ich beinah jeden gedanken selber schon hatte.
von der einzigartigkeit von gedanken, unserem gehirn und kreativität will ich gar nicht erst anfangen. ich denke dann immer, dass es viel zu krass ist wenn man mit seinem gehirn über sein gehirn nachdenkt, kann man das überhaupt begreifen?
das wichtigste und berührenste an deinem text für mich war sie stelle mit dem schweigen.
das stimmt, so habe ich das noch nie gesehen, wir reden ja quasi mit uns selber wenn wir nachdenken und über diese stimme, die ich dann in meinem kopf höre, habe ich auch noch einen geanken verschwendet. ich werde es mal beachten.
deswegen ist sprache manchmal so unzulänglich und auch entäuschend, weil man das gefühl hat niemals diese ganzen gedanken, die man im gespräch mit sich selbst entwickelt, ausdrücken können wird, die sprache humpelt hinterher, während die gedanken davonsprinten.
ich könnte ewig mit dir darüber rumdiskutieren, ich frage mich ob man eines tages alle seine gedanken dazu in worte gefsst hätte.
einen schönen abend freundin der nacht.
karla

Maximiliane Wittek hat gesagt…

Wirklich toll geschrieben….